10.5.2021

Digital Wondering 11

Die Digital Wonderings sind eine Reihe von Online-Diskursen rund um das kuratorische Thema TRUST. Sie können jede Form annehmen: von einem Gespräch, über ein kurzes Statement oder einen Film, bis hin zu einer fotografischen Serie. Die von Susan Bright und Nina Strand eingeladenen Mitwirkenden kommen aus den unterschiedlichsten Disziplinen und können nach Belieben auf das Thema und das Format antworten und reagieren. 

Über Vertrauen und Selbstporträts. Whitney Hubbs.

In ihrem in Kürze erscheinenden Buch Say So setzt Whitney Hubbs ihre Erforschung und Infragestellung des Verhältnisses von Kamera und weiblichem Körper fort, das sie 2017 in Woman in Motion begonnen hat. In Say So benutzt und missbraucht sie ihren eigenen Körper in masochistischen Performances an der Grenze zwischen Erotik und Erniedrigung. Es geht in diesem Projekt auch um Vertrauen, denn Hubbs selbst tut das alles und veröffentlicht es. „Hubbs macht etwas völlig Neues mit dem Künstler:innen-Selbstporträt“, schreibt Chris Kraus in seinem Begleitessay.

 

Die Arbeit wurde zuerst als Collage in ihrer Ausstellung Animal, Hole, Selfie im Januar 2020 bei Situations gezeigt. Sechs Jahre zuvor hatte sie ein Bild von einer sich bückenden Frau gemacht, das ihr immer Unbehagen bereitet hatte. Daher begann sie mit sich selbst als Modell zu experimentieren: „Es bedeutet eine Art von Erniedrigung oder Entwürdigung…, mich selbst auf diese subversive Art auszustellen. Die Ideen, die ich für die Fotos inszeniere, sind aus Isolation, Langeweile, Versagen heraus entstanden; sicherlich nicht aus einem Mangel an Vorstellungsvermögen.“ Viele fragen sich zur Zeit, was die Isolation mit uns gemacht hat, und vielleicht schwingt diese Frage auch in Hubbs’ Bildern mit: „2016 zog ich von Los Angeles in den Norden des Bundesstaats New York. Diese Isolation ist also nichts Neues für mich.“

 

Hubbs hat im Zusammenhang mit dieser Arbeit auch über das Thema Älterwerden gesprochen und darüber, sich von Hemmungen zu befreien: „Ich hatte darüber nachgedacht, was passiert, wenn du in die Vierziger kommst und alle diese Erwartungen daran, wie du sein solltest, abschüttelst. Du sagst dir: Das war’s.“

 

Das Buch wird in diesem Herbst bei SPBH erscheinen. Hubbs macht sich keine Gedanken darüber, wie es aufgenommen wird; mit ihren Selfies zeigt sie eine Vorstellung vom Älterwerden, mit der viele Leute sich erst noch auseinandersetzen müssen: „Ich würde nie von jemand anderem verlangen, so etwas zu tun, und dann die so entstandenen Bilder ausstellen. Ich denke zum Beispiel an Boris Mikhailov oder an diese Selbstporträts von Paul McCarthy – beides Männer. Ich übertrage dieses Bad-Boy-Gehabe auf den Körper einer Mittvierzigerin. Es bedeutet, der Kamera zu vertrauen, meinem Handwerk zu vertrauen, mich zu überwinden, das alles zu zeigen. Es bedeutet, mir selbst als Künstlerin zu vertrauen.“

Biografie

Whitney Hubbs wurde 1977 in Los Angeles geboren, wo sie auch aufwuchs. Später lebte sie in der Bay Area (Kalifornien) und in Portland (Oregon). Sie absolvierte ihren Bachelor of Fine Arts am California College of the Arts (Abschluss 2005) und einen Master of Fine Arts an der UCLA (Abschluss 2009). Whitney Hubbs war schon in jungen Jahren in der Punk Rock Riot Grrrl-Community aktiv, wo sie Fanzines herstellte, Kunstausstellungen organisierte und an Performances mitwirkte.

 

Hubbs nahm kürzlich an einer Viererausstellung im J. Paul Getty Museum teil. Zweier- und Einzelausstellungen (Auswahl): Madeleine Cake (zusammen mit Alika Cooper) bei SITUATIONS, New York; Body Doubles bei M+B Gallery; Stutter Shutter bei David B. Smith, Denver, CO und Casemore Kirkeby, San Francisco; sowie im California Museum of Photography, Riverside. Gruppenausstellungen (Auswahl): Screenscapes in der Galeria Nara Roesler in São Paulo, Brasilien; Ami Omi am Sarah Lawrence College in Bronxville, NY; und les vases communicants in der Shulamit Nazaria Gallery. Ihre Arbeiten befinden sich in den ständigen Sammlungen des Los Angeles County Museum of Art, des Getty Museum, Los Angeles, des California Museum of Photography an der University of California, Riverside und in der Riot Grrrl Collection, Fales Library Special Collections, New York University, New York. Hubbs’ erste Monografie Woman In Motion erschien bei Hesse Press. Sie ist Assistant Professor für Fotografie an der Alfred University. Hubbs wird zur Zeit durch die M+B Gallery in Los Angeles und die Situations Gallery in New York City vertreten. Im nächsten Dezember wird sie an einer Zweierausstellung am Silver Eye Center for Photography teilnehmen; im Herbst 2021 wird ihr neues Buch bei SPBH Editions erscheinen.

 
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